Erwerbslosenprojekte in Deutschland

Teil I: Das Sozialwerk in Leipzig

This entry is part 10 of 35 in the series Direkte Aktion 195 – Sep/Okt 2009

Direkte Aktion 195 – Sep/Okt 2009

Ping Pong auf dem Arbeitsmarkt

Editorial

Der große Bruder schaut dich an

Tod der Diktatur!

Tod der Diktatur!

Keine Arbeit ohne Lohn

Godots Sieg am Hindukusch

Kolumne Durruti

Die Ssangyong-Besetzung ist beendet

Die Ssangyong-Besetzung ist beendet

Wut macht erfinderisch

Catwalk

Erwerbslosenprojekte in Deutschland

Erwerbslosenprojekte in Deutschland

Call for a Union

Niederlage der Gefängnisse?

Kulturrevolution im Guggenheim

§§§-Dschungel

§§§-Dschungel

Videoüberwachung rechtswidrig

Videoüberwachung rechtswidrig

„Eine Revolution machen nie die Alten.“

Guadeloupe: Der Kampf geht weiter

Guadeloupe: Der Kampf geht weiter

Kein kalter Kaffee

Mehr als nur Anti-Faschismus

Neues zum Kampf der LeiharbeiterInnen bei VWN

Neues zum Kampf der LeiharbeiterInnen bei VWN

Länger atmen lohnt sich

Das Langweiligste der Welt

Beschäftigte als Datenträger

„… aktiv werden ohne den Mythos von einer Revolution mit großem Feuer“

Trabi auf Touren

Nach Utopia

Zahlen, bitte!

Zahlen, bitte!

Versammlungsgesetz weiter außer Kraft

Versammlungsgesetz weiter außer Kraft

Stillhalten lohnt sich nicht

FAU-Ticker

FAU-Ticker

Streikrecht für Beamte?

Streikrecht für Beamte?

Kein Raum für Illusionen

Etappensieg bei Ryanair

Etappensieg bei Ryanair

Wie im falschen Film

Als Anfang 2005 die Proteste gegen die Hartz-Gesetze verebbten, wurde auch den Letzten klar, dass dieser Gesellschaftszustand nicht so einfach wegzudemonstrieren ist. Nach den Montagsdemonstrationen mussten andere Möglichkeiten gefunden werden, um die Lage der ALG-II-EmpfängerInnen konkret zu verbessern.

Aus dieser Situation heraus entstand im Leipziger Aktionskreis für Demokratie und Soziale Politik (DSP) die Idee, eine Tafel zu organisieren, mit der nicht nur Abhilfe geschaffen werden sollte, was die entwürdigenden Zustände betrifft, wie sie bei existierenden Angeboten vorherrschen. Die BesucherInnen sollten auch angeregt werden, selbst aktiv zu werden. Jener Aktionskreis gründete daraufhin den Verein „Sozialwerk-DSP Kleider und Tafel e.V.“ als Trägerverein des Projektes. Die ersten Besucher waren u.a. TeilnehmerInnen der Montagsdemonstrationen.

Für das Projekt wurde ein „Wächterhaus“, d.h. ein leerstehendes Haus, das im Rahmen eines kommunalen Programms zu günstigen Konditionen an sanierungswillige NutzerInnen übergeben wird, angemietet und notdürftig saniert – alles in ehrenamtlicher Arbeit. Ehrenamtlich ging und geht auch das Heranholen und Verteilen von Lebensmittelspenden vonstatten. Desweiteren gehen regelmäßig Kleider- und Haushaltswaren-Spenden ein, die sortiert und verteilt werden. Durch Haushaltsauflösungen können, neben normalen Möbeln, auch Fernsehapparate, Videorecorder oder Kühlschränke verteilt werden. Diese „höherwertigen Haushaltsgegenstände“ werden in erster Linie an die Helfenden abgegeben, die – zu 30 bis 50 Prozent – auch im Projekt mitarbeiten.

Die zentrale Aktivität ist die Lebensmittelausgabe, welche samstags und in geringerem Maße dienstags und freitags stattfindet. Jeden Freitag können Haushaltswaren und Kleidung mitgenommen und eine Rechtsberatung in Anspruch genommen werden. In der Wartezeit sitzen die BesucherInnen bei Kaffee und Kuchen. Bei der folgenden Ausgabe teilen sie einfach mit, was sie benötigen.

Wegen des guten Images des Sozialwerkes wechselten sowohl BesucherInnen als auch SpenderInnen von der Tafel e.V. über. Hetzartikel in der Leipziger Volkszeitung und eine „anonyme“ Anzeige beim Gesundheitsamt änderten daran nichts und führten zu noch mehr InteressentInnen, während dagegen die alte, etablierte Tafel tatsächlich aus hygienischen Gründen geschlossen werden musste.

Finanziert wird das Sozialwerk hauptsächlich über eine Teilnehmergebühr (5 Euro bei ALG II), die nur in den Monaten gezahlt wird, in denen man das Angebot nutzt. Neben materieller und rechtlicher Hilfe finden zudem ein monatlicher Spieleabend und politische Veranstaltungen statt, z.B. mit dem Sozialforum, dem Neuen Forum oder der FAU. Eine Bibliothek ist momentan im Entstehen.

Koordiniert wird die Arbeit bei einem monatlichen Mitarbeiter- und Teilnehmerabendbrot. Da der Vorstand des Sozialwerkes bei allen angestrebten Aktivitäten formal das letzte Wort hat, kann zwar von Hierarchiefreiheit nicht die Rede sein, doch bisher fand nichts statt, was die Beteiligten nicht wollten. Zur Umsetzung einer Idee müssen immer Leute gefunden werden, die auch mitmachen. Hier beginnt die Möglichkeit und Notwendigkeit zur Selbstorganisation. Die ehrenamtliche Arbeit geschieht nicht für andere, sondern für sich selbst und gleichsam Betroffene. Das Sozialwerk ist eine Möglichkeit, sich jenseits von amtlicher und parteipolitischer Bevormundung eigenverantwortlich mit Kopf, Hand, Interessen und Fähigkeiten einzubringen, Kontakte zu knüpfen und unabhängig aktiv zu werden.

Sozialwerk DSP
Eisenbahnstr. 109
04315 Leipzig

Öffnungszeiten:
Di. & Fr. 13-15 Uhr; Sa ab 18 Uhr.

 

Serie zu Erwerbslosenprojekte

Durch die Vereinzelung außerhalb des Arbeitslebens ist es für Erwerbslose oft schwer, sich zu organisieren. Dies könnte sich noch verstärken, wenn der drohende Anstieg der Arbeitslosenzahlen tatsächlich Realität werden sollte. Dann wird es umso wichtiger sein, Möglichkeiten der gegenseitigen Hilfe zu finden. Die DA nimmt dies als Anlass, auf die Suche nach Beispielen der Selbstorganisierung von Erwerbslosen zu gehen – Projekte, Ideen und Konzepte, die wir in den nächsten Monaten hier in Form einer kleinen Serie vorstellen möchten.

 

Direkte Aktion 195 – Sep/Okt 2009

Catwalk Call for a Union

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