Arbeit im Knast

Ein Gastbeitrag von Thomas Meyer-Falk

This entry is part 19 of 32 in the series Direkte Aktion 220 – Nov/Dez 2013

Direkte Aktion 220 – Nov/Dez 2013

In unser Fleisch, und ins eigene

Editorial

Das war Spießerkram

Das war Spießerkram

Lieber gemeinsam gemütlich radeln

Lieber gemeinsam gemütlich radeln

Kolumne Durruti

Eine Stadt, die krank macht

Catwalk

Jude Rawlins & Subterraneans

Die Befreiung der Arbeit

Der Widerspenstigen Zähmung

Der Widerspenstigen Zähmung

Victor Hugo, Julius Cäsar und die blauen Augen der Schwalben

§§§-Dschungel

§§§-Dschungel

Der große Bruder schaut dich an

Hallo, bist du hier Chef? Nein? Super!

Die entfremdete Stadt

Anarchosyndikalismus: Ein Relikt aus vergangenen Tagen …oder vielleicht doch nicht?

Struggle – Nachrichten von der Klassenfront

Struggle – Nachrichten von der Klassenfront

Wir sind gekommen um zu bleiben!

Die Militarisierung der Stadt

Arbeit im Knast

From Hipness to Ramschness

Der Mob macht mobil

Der Mob macht mobil

Volin – Die unbekannte Revolution

Volin – Die unbekannte Revolution

‚Sick‘ness – von „Untergrundtätigkeiten“ zu „Störung des Betriebsfriedens“

‚Sick‘ness – von „Untergrundtätigkeiten“ zu „Störung des Betriebsfriedens“

FAU-Ticker

FAU-Ticker

Bewaffneter Wachschutz im Treppenhaus

Exploitation, not lovin‘ it

Exploitation, not lovin‘ it

Meldungen aus der FAU

Meldungen aus der FAU

Nehmen wir uns die Stadt!

Kurzmeldungen

Kurzmeldungen

Die Stadt und die Fabrik

Lampedusianer, wir!

Quelle: Shumona Sharna (CC BY-SA 2.0)

Strafgefangene sind in aller Regel zur Arbeit verpflichtet; auch wenn nun einige Bundesländer Bestrebungen äußern, diese Pflicht abzuschaffen. Der ökonomische Zwang zu arbeiten ist für Inhaftierte besonders groß, denn die Haftanstalten gewähren nur eine minimale Basisversorgung, die Nahrung, Licht und Bett umfasst – und selbst für den Lampenstrom muss Mensch noch zahlen (ca.1,20 Euro im Monat).

Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1998 mussten die „Löhne“ in den Gefängnissen einige Jahre später erhöht werden. Wurden früher 5% des Durchschnittsverdienstes aller ArbeiterInnen und Angestellten gezahlt, ist seitdem 9% dieses Durchschnittsverdienstes auszuschütten. Jedoch sind die Justiz- und Finanzverwaltungen geschickt darin, diese Erhöhung dadurch zu entwerten, dass vormals kostenfreie Leistungen abgeschafft oder in kostenpflichtige umgewandelt werden – ein Beispiel erwähnte ich schon: die Stromkosten. Wer dann neben der Lampe einen Fernseher, einen Wasserkocher und einen Kühlschrank betreibt, kommt schnell auf über 10 Euro Stromkosten im Monat.

Zudem wurden rigoros die Arbeitsplätze neu „bewertet“, d.h. innerhalb der fünf möglichen Lohnstufen neu eingruppiert. Es versteht sich von selbst, dass fast ausnahmslos eine Abwertung in eine geringer bezahlte Lohnstufe erfolgte. Pro Tag kann einE InhaftierteR in Lohnstufe 3 (dies entspricht 100%) 11,64 Euro verdienen. Bei Lohnstufe 2 (nur 88% des Grundlohns) sind es 10,24 Euro. Wer einen Meisterbrief hat – in der Praxis die Allerwenigsten – erhält in Lohnstufe 5 (entspricht 125% des Grundlohns) 14,55 Euro proTag.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) war sich vor kurzem nicht zu schade, ehemalige Gefangene beim ALG-I-Bezug abzustrafen, in dem das SGB neu ausgelegt wurde. Reichte es bislang aus, der BA nachzuweisen, dass man das letzte Jahr vor dem Tag der Freilassung komplett gearbeitet hat, also keine selbstverschuldeten Fehlzeiten hatte, bekam Mensch anstandslos ALG-I. Nun verlangt jedoch die BA den Nachweis, mindestens 360 versicherungspflichtige Arbeitstage gearbeitet zu haben. Während ArbeiterInnen und Angestellte in Freiheit den ganzen Monat, auch wochenends und feiertags, versichert sind, zahlen die Knäste der BA nur für jene Tage Versicherungsbeiträge in die Arbeitslosenversicherung, an welchen jemand konkret gearbeitet hat; so fallen alle Wochenenden und Feiertage weg – und „freie“ Tage, wenn beispielsweise die Wärter ihre Sportfeste feiern und deshalb Arbeit ausfällt. Faktisch müssen Gefangene nun in den letzten zwei Jahren vor ihrer Entlassung 17,5 Monate gearbeitet haben, um die Anwartschaftszeit für ALG-I zu erfüllen.

Hiergegen Widerstand zu organisieren ist bedauerlicherweise ein aussichtsloses Unterfangen: zum einen ist das Problem das unterentwickelte Klassenbewusstsein der Betroffenen, zum anderen reagieren die Knäste umgehend und rabiat, sobald auch nur Ansätze für kollektives Handeln sichtbar werden. Selbst so reformistische Aktivitäten wie das Sammeln von Unterschriften für eine Petition werden gerne als „versuchte Meuterei“ hochstilisiert, wohlwissend, dass das Nonsens ist. Als Einschüchterungsstrategie funktioniert es jedoch.

In der Sicherungsverwahrung, von der bundesweit „nur“ rund 500 Männer und drei Frauen betroffen sind, wurde der Arbeitszwang faktisch abgeschafft. Da man zugleich, als „Abstand“ zur Strafhaft die Entlohnung nahezu verdoppelt hat (auf 16% des Durchschnittsverdienstes), Verwahrte nun also in Lohnstufe 3 (100% des Grundlohns) 20,70 Euro/Tag verdienen können, wenn sie freiwillig arbeiten, kommt es zu der paradoxen Situation, dass aus wirtschaftlichen Gründen Knäste froh sind, wenn Verwahrte auf eine Arbeitstätigkeit verzichten, da dann die JVA nur rund 100 Euro Taschengeld zahlen braucht, anstatt 450 Euro „Verdienst“ z.B. für das Fegen des Flurs, wenn jemand als Stationsreiniger tätig ist.

Direkte Aktion 220 – Nov/Dez 2013

Die Militarisierung der Stadt From Hipness to Ramschness

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