Live in Szene

Die Situation von Care-Migrantinnen in der BRD ist in mehrfacher Hinsicht prekär

This entry is part 25 of 32 in the series Direkte Aktion 223 – Mai/Juni 2014

Direkte Aktion 223 – Mai/Juni 2014

Von Dienstbotinnen, Bufdis und Herdprämien

Post aus Kiew

Editorial

Taksim – eine unabgeschlossene Geschichte

Das proletarische Vorspiel zu 1968

Klassenkämpferische versus korporatistische Gewerkschaft

Sorge dich nicht, pflege

Kolumne Durruti

Der kommende Ausstand

Der kommende Ausstand

Catwalk

Catwalk

Ver(un)sicherung für Hebammen

Meldungen aus der IAA

Kulturguerilla

Keine „soziale Feuerwehr“

Keine „soziale Feuerwehr“

Widerstand in der Kontrollgesellschaft

§§§-Dschungel

§§§-Dschungel

Struggle – Nachrichten von der Klassenfront

Struggle – Nachrichten von der Klassenfront

Madige Werkverträge

Wer soll denn das bezahlen?

Das Unsichtbare sichtbar machen

Die WM im entfremdeten Land

Minijob heißt nicht Minirechte

Proletarisches Theater im Jahr 2014

Migration in die Entfremdung

Die neue Speerspitze der ArbeiterInnenbewegung

Live in Szene

Live in Szene

Das vergessenste Land Europas

FAU-Ticker

FAU-Ticker

„Man muss auch sagen, wofür man ist“

Meldungen aus der FAU

Meldungen aus der FAU

Nachrichten aus der Gesellschaft

Nachrichten aus der Gesellschaft

Böll-Stiftung endgültig unterlegen

Das Phänomen grenzüberschreitender Pflegeversorgung ist in Deutschland seit zwei Jahrzehnten zu beobachten. Die Alterung der Gesellschaft, unzureichende staatliche Leistungen, der Wandel der Geschlechterverhältnisse und Generationenbeziehungen resultieren im sogenannten Pflegenotstand. Dessen Bewältigung erfolgt häufig über außerstaatliche Wege und durch Delegierung der anfallenden Arbeit an MigrantInnen. In zehntausenden Haushalten in Deutschland werden Migrantinnen irregulär beschäftigt, um ältere pflegebedürftige Menschen zu betreuen. Vorsichtige Schätzungen gehen von 150.000 bis 500.000 „Care-Migrantinnen“, überwiegend Frauen aus Osteuropa, aus.

Die in der häuslichen Pflege illegal beschäftigten Migrantinnen sind oft für die Bearbeitung der Gesamtproblematik und die den Umständen entsprechende Lebenslage ihrer KlientInnen verantwortlich. Da sie sich in sogenannten Live-in-Arrangements befinden, d.h. Wohnen am Arbeitsplatz und Rund-um-die-Uhr-Beschäftigung im Haushalt der Pflegebedürftigen, ist die Lage der betroffenen Frauen in mehrfachem Sinne prekär. Durch die Live-in-Situation, dadurch, dass (arbeits-)rechtliche Grundlagen sowohl hinsichtlich der Arbeitszeiten als auch -aufgaben ungeregelt sind, und dass die Trennung zwischen Beschäftigung, Bereitschaft und Freizeit verschwommen ist. Die Unterbezahlung und die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung der Pflegearbeit machen ihre unterprivilegierte Position als „billige Hilfskraft“ aus. Die Rund-um-die-Uhr-Beschäftigung, die oftmals mit einem wochen- oder monatelangen „Zusammenleben“ mit den KlientInnen in einem Haus oder einer Wohnung einhergeht, bedingt eine räumliche und zeitliche Einschränkung sowie das Fehlen einer Privatsphäre. Durch die intensive emotionale Einbindung sind die Pflegekräfte weiterhin mitbetroffen von den Leidensprozessen ihrer KlientInnen, an deren Bearbeitung und Begleitung sie langfristig beteiligt sind. Hinzu kommt das alltägliche Ausgeliefertsein an die endlosen Routinen schwerer psychischer Arbeit und körperlicher Anstrengung, bei permanenter Orientierung an den Bedürfnissen der KlientInnen. Schließlich findet die Arbeit in einem sehr eingeschränkten Interaktionsrahmen statt, der sich durch mangelnde Möglichkeiten der Kommunikation, Einsamkeit und Isolation auszeichnet.

Die meisten irregulären Pflegekräfte arbeiten in selbstorganisierten Rotationssystemen, jenseits staatlicher oder arbeitsrechtlicher Regelungen, und wechseln turnusmäßig (z. B. alle paar Wochen oder Monate), so dass zwei oder mehr Pflegende sich um jeweils eine Person kümmern. Bei der Selbstorganisation der irregulären Pflege spielen die ethnischen Netzwerke eine entscheidende Rolle; viele Frauen haben über Mundpropaganda und informelle Kontakte zu ihrem Arbeitsplatz gefunden. Somit entgehen sie unseriösen Vermittlungsagenturen, die einen großen Teil des Lohns für die Vermittlung der Arbeit einkassieren, und die mit Knebel-Verträgen dafür sorgen, dass die Flexibilität der Arbeitszeit und Rotationsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Nicht selten werden an Pflegekräfte und ArbeitgeberInnen unvollständige oder falsche Informationen über das Arbeitsverhältnis vermittelt, so dass letztere bspw. nicht wissen, wie wenig Lohn die Pflegekräfte tatsächlich erhalten.

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