„Alle Komparsen auf Anfang“

Arbeitsbedingungen für KleindarstellerInnen und Komparsen in der Filmindustrie | Teil II

This entry is part 3 of 36 in the series Direkte Aktion 204 – März/April 2011

Direkte Aktion 204 – März/April 2011

Dirk und Sonja zu Gast im Elfenbeinturm

Editorial

Kapitalismus tötet!

„Alle Komparsen auf Anfang“

Kolumne Durruti

Catwalk

Meldungen aus der IAA

Abend in der Stadt

Mit allen Schikanen

Meldungen aus der FAU

Leiharbeit in Fernost

Leiharbeit in Fernost

Auf internationalem Parkett

Streik unter dem Kreuz

Streik unter dem Kreuz

Griechenland: Staatsbankrott auf Umwegen?

Griechenland: Staatsbankrott auf Umwegen?

Gepanschte Fette

Im Westen geht die Sonne auf

Funktionalität einer rassistischen Gesellschaft

Dresden nazifrei

§§§-Dschungel

Odyssee im (a)sozialen Raum

Auf zum letzten Gefecht

Auf zum letzten Gefecht

Struggle

Struggle

Vorwärts in die Vergangenheit

Politisches Erzählen in Bildern

Kampf um Aufklärung und Gerechtigkeit

Ein Mordsstoff

Der Traum von der Fabrikgesellschaft

FAU-Ticker

FAU-Ticker

Terror der Bosse

Terror der Bosse

„Gefahr für die Volksgesundheit“

Der große Bruder schaut dich an

Jenseits des Marktes

„Selbstverpflichtungen nützen nichts“

Frankreich: CNT-F gibt nicht auf in der Kita

Frankreich: CNT-F gibt nicht auf in der Kita

Sikhula trifft Systemet

Sikhula trifft Systemet

Der große Bruder will’s nochmal wissen

Festival-Besucher oder Komparsen? Schlangestehen will geübt sein. Foto (CCC): OxKing23

Mit dem Einbruch mehrerer Krisen in der Medienbranche und dem zugleich steigenden Zulauf von Komparsen sind die Löhne immer unverschämter geworden. Umgerechnet 5–6 Euro Stundenlohn brutto sind „normal“. In der Regel gibt es keine Fahrtkostenerstattung, eigene Kleidung wird vorausgesetzt und nicht vergütet, Abnutzung nicht entschädigt und Sonderleistungen immer schlechter. Dumpingangebote für 20 oder 30 Euro stoßen zwar auch in der Komparsen-Community auf Empörung und die Empfehlung einer Mindestgage von 75 Euro für einen vollen Drehtag mag gut gemeint sein, dem Trend von 50–60 Euro für 8 bis 10 Stunden Drehzeit ist jedoch seit langem nichts entgegengesetzt worden. Den von ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag mit der „Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e.V.“ und dem „Verband deutscher Filmproduzenten e.V.“, der ganze 90 Euro pro Tag vorsieht, kann man getrost als Utopie bezeichnen. Dabei wird die Drehzeit oft genug maximal ausgereizt, sodass Komparsen nicht selten eine Stunde am Drehort verbringen, ohne entlohnt zu werden – obwohl das tariflich festgelegt, wenn die Darstellerin bis zur Abrechnung und sonstigen Aufwand wie Abschminken und Umziehen an den Drehort gebunden ist.

Die Mär der gebeutelten Filmindustrie

Die (deutsche) Kinofilmindustrie machte im Jahr 2010 einen Umsatz von 920 Mio. Euro und lag damit um 56 Mio. unter dem von 2009. Letztlich wird mittlerweile mit dem Verkauf von Datenträgern wie DVD ein Gesamtumsatz von 1,686 Mrd. Euro erreicht – die Mär von der armen Filmindustrie wirkt so ziemlich luftleer. Und schließlich reden wir hier nur von Kinofilmen. Es ist schwer zu entschlüsseln, wie die Gelder ausgegeben werden, ganz besonders bei den alltäglichen Produktionen. Angesichts der ständigen Flut von sinnentleerten Serien und Filmen, die dennoch millionenfach angesehen werden, braucht man sich angesichts des Gewinns sicher keine Sorgen machen. Ein deutliches Gefälle zwischen SchauspielerInnen und RegisseurInnen über die Filmteams bis hin zu KleindarstellerInnen und Komparsen lässt sich nur schwer leugnen. Die Frage, ob man als MedienarbeiterInnen tatsächlich in „einem Boot“ sitzt oder doch eher jeder Berufsstand seine Interessen auch auf Kosten des anderen durchsetzt, ist wichtig um zu verstehen, wie schwer die Lage der leicht zu ersetzenden Berufsgruppen ist.

Die Filmbranche erfordert hohen Organisationsgrad, wie den der Writer's Guild in Hollywood. WGA-Mitglieder vereint im Streik, 2007. Foto (CCC): Jengod

Die Individualisierung unter den Komparsen und die sehr verschiedenen Motive, warum eine Person in diesem Bereich arbeitet, stellen ein großes Problem dar, für bessere Arbeitsbedingungen im Filmbetrieb einzustehen. Besonders ins Gewicht fallen hier ein ungeahntes Maß an jugendlicher Naivität sowie ein verbreitetes Arbeitsverständnis als „Abwechslung“ seitens älterer Komparsen. Der romantisierte Blick auf die Tätigkeit des Kleindarstellers muss zuerst einer rationalen Sicht weichen, um reale Organisierungsansätze zu ermöglichen. Ein Selbstverständnis als Lohnabhängige im weiteren Sinne ist der entscheidendste und anscheinend auch schwierigste Schritt. Die bekannten Fälle, in denen Komparsen kollektiv handeln, tendieren gegen Null. Über einen Organisierungsgrad ist nichts bekannt, im Gegensatz zu SchauspielerInnen etwa, die mittlerweile durchaus fähige Interessenverbände besitzen.

Konkret werden

Die Frage der Organisierung stellt sich immer aufs Neue, und bedarf gerade in unterorganisierten Branchen einer besseren Analyse. Ein Ansatz kann die Annäherung an Tarifbestimmungen sein, indem ausgelotet wird, inwiefern nichttarifliche Bezahlungen rechtswidrig und Nachzahlungen einklagbar sind. Der Nachteil könnte sein, nicht mehr gebucht zu werden, da in dem dichten Netz aus Abrechnungsagentur, Vermittlungsagentur und Filmagentur keine Anonymität besteht. Ratsam ist daher v.a. eine Vernetzung von Komparsen einer Agentur, „in der Fläche“ des Betriebs. Koordiniert kann es gelingen, Druck für Mindestgagen auszuüben, die sich an die Tarife annähern. Mit guter Öffentlichkeitsarbeit könnte dann eine Abwanderung in den Dumping-Agenturen einsetzen und die Lohnschraube nach oben drehen. Dieses syndikalistische Skript ist zwar Science Fiction, aber man darf ja wohl gerade in dieser Branche auf ein Happy End bauen.

siehe auch:

Direkte Aktion 204 – März/April 2011

Kapitalismus tötet! Kolumne Durruti

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