Gedicht: Ralf Burnicki – Countdown

This entry is part 11 of 39 in the series Direkte Aktion 205 – Mai/Juni 2011 Direkte Aktion 205 – Mai/Juni 2011 Vom Ich zum Wir mal anders Portugal: Bewegung gegen „Krisenbewältigung“ Editorial Soziales Beben im Mittleren Westen Der große Bruder schaut dich an Der grüne Hype Fukushima: Nuklearer Massenmord! Verdumptes Europa Kolumne Durruti Catwalk…

This entry is part 11 of 39 in the series Direkte Aktion 205 – Mai/Juni 2011

Direkte Aktion 205 – Mai/Juni 2011

Vom Ich zum Wir mal anders

Portugal: Bewegung gegen „Krisenbewältigung“

Portugal: Bewegung gegen „Krisenbewältigung“

Editorial

Editorial

Soziales Beben im Mittleren Westen

Der große Bruder schaut dich an

Der grüne Hype

Fukushima: Nuklearer Massenmord!

Fukushima: Nuklearer Massenmord!

Verdumptes Europa

Kolumne Durruti

Catwalk

Meldungen aus der IAA

Meldungen aus der IAA

Gedicht: Ralf Burnicki – Countdown

Industriezweig Flaschenpfand

Kämpfen und lesen

Hausen am Abgrund

Hausen am Abgrund

Bundesverfassungsgericht stärkt Recht auf Blockade

§§§-Dschungel: Wie komme ich als illegalisierte/r ArbeiterIn an meinen Lohn?

Hoffnung ist groß

Hoffnung ist groß

Chaos an Hochschulen

Chaos an Hochschulen

Arbeitskampf gegen die Gewerkschaft

Arbeitskampf gegen die Gewerkschaft

Jenseits des Marktes

Bei uns kann so etwas nicht passieren!

Auf den Hundt gekommen

Auf den Hundt gekommen

Struggle

Struggle

Skandal im Sperrbezirk

Europas uneingelöstes Versprechen

Europas uneingelöstes Versprechen

Im Grenzland des Pflanzen-Teufels

Alles eine Frage des Profits

Alles eine Frage des Profits

Der Mariannenplatz war blau

Lehrkräfte im Stresstest

Lehrkräfte im Stresstest

„Indianer im Reservat“

Mediale Middle-East-Facebook-Romantik

„Bezahlt wird nicht!“

FAU-Ticker

FAU-Ticker

Ans Tageslicht

Ans Tageslicht

Massakrieren bis zum bitteren Ende

Massakrieren bis zum bitteren Ende

Meldungen aus der FAU

Meldungen aus der FAU

Ein Exempel moderner Sklaverei

Arbeitsmigration von innen

Arbeitsmigration von innen

kulturguerilla.jpg

Wenn dir der Tag auf offener Straße mit Windhupe und aufheulendem Morgen entgegenkommt (samt seiner Überladung Arbeitswelt & selbstklebenden Gewissheiten) und deine Ausweichmanöver zum Glücklichsein zwischen Hochgeschwindigkeitssätzen verenden. Wenn du wegen Unfallgefahr vor jeden Zweifel ein Warndreieck aufstellen musst. Wenn die Zweifel sich häufen und die herbeigeeilten Horoskope nicht mehr wirken, dann ist es soweit oder noch weiter. Wenn die Auswege sich zurückbilden & die Geduldsfäden reißen, an denen der Alltag hängt, dann hat der Countdown gestern begonnen.

Wenn die Worte nicht mehr schmecken, weil jede Verheißung kalt auf den Tisch kommt. Wenn die Hoffnungen nicht mehr zurückkommen vom Brötchen holen und die Zukunft nur noch zur Häufchenbildung reicht (man sagt, sie habe eine Überdosis Lieblosigkeit genommen). Wenn die Leichtigkeiten ihren Auftritt verpassen. Wenn die Gegenwart nicht mehr zu sprechen ist & keine Rezepte mehr ausgibt. Wenn die wetterempfindliche Gewohnheit auf der Flucht ihren wärmenden Anstrich verliert. Wenn Straßenkreuzungen Kreuzverhöre sind und die Straßenzüge Scheuklappen aus Beton.

Wenn jede Himmelsrichtung in Uniform heranwächst und sämtliche Fragen – unsere nicht enden wollenden Flugversuche auf gefärbten Nachmittagsrückständen – mit harten Nächten niederwirft. Wenn Sonderkommandos ausschwärmen mit Fahndungsplakaten auf denen Sterne stehen und andere Gemeinschaftsformen. Wenn Sonderkommissionen frische Sätze ausheben wie einen Schmugglerring. Wenn keine Freudentänzer mehr von Balkonen winken, weil der Sommer sich im Tränengas vergeigt. Wenn das Heute nur der Kniefall von gestern ist, dann werden die Straßen brennen. Dann krempelt die Freiheit ihre Ärmel hoch und ist überall unterwegs.

Dann gibt es Satzausschreitungen auf den Straßen, weil die Demonstrationen beginnen. Und die Worte kommen daher wie Farbstoffe, die Wurzeln schlagen in die aufgebrochene Zeit. Auf Marktplätzen finden Vollversammlungen der Gedanken statt, und die Begegnungen türmen Barrikaden auf aus abgeschlagenen Enttäuschungen und erfinden ein Bild, das Geigen, Nachmittage und Stadtviertel zu Kollektiven vereinigt. Aus sämtlichen Himmelsrichtungen kommt alter Schmerz herbei, um sich in Ideen zu verwandeln und mit den Revolten zu verbünden. Und zwischen all den Geräuschen werden die Zentren der Antworten aufgelöst.

Aus Sprachausschweifungen und zusammengelegten Lichtstreifen entstehen Häuserwelten, in die die Hoffnungen einkehren und Freundschaften gründen, die sich gegenseitig eine bessere Welt ausgeben. Und während der Sommer kühle Solidarität ausschenkt, halten offene Fragen unter freiem Himmel spontane Zusammenkünfte ab, die jegliche Eile verweigern, denn die Antworten sollen zärtlich mit dem Morgen und Übermorgen umgehen. Und die Sätze lernen, Nachmittage zu fliegen. Und die Hände üben die Anfertigung von Nächten für eine Neueröffnung des Blicks. Und der Verstand schüttet sich lachend aus über die Vergangenheit. Es geschieht und du bist dabei.

 

Weitere Texte des Anarchopoeten Ralf Burnicki sind unter anderem in Direkte Aktion (Ausgaben 126, 151, 173, 181, 187 und 193) erschienen. Ralf Burnicki ist Teil des libertären Literaturprojekts Blackbox in Bielefeld. In Kooperation mit Michael Halfbrodt erschien der Band Die Wirklichkeit zerreißen wie einen misslungenen Schnappschuss (Anarcho-Poetry, Edition AV), sein letzter Band beschäftigte sich kritisch mit Kauf- und Konsumwelten (Zahnweiß, Kaufhauspoetry, Edition AV), siehe dazu auch die Rezension von Mona Grosche in Direkte Aktion 185.

Direkte Aktion 205 – Mai/Juni 2011

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